Die unsichtbare Zerstörung: Was der vermeintlich stärkere Baustoff mit historischen Mauern anrichtet.
Als ich 2016 das Bauernhaus in Cincu (Großschenk) gekauft habe, war die größte Herausforderung nicht die Statik, sondern eine unsichtbare Gefahr: Die Zement-Falle. Überall in Siebenbürgen sehe ich, wie historische Bausubstanz durch gut gemeinte, aber falsche Sanierung zerstört wird. Vielleicht fehlt einfach das Wissen um die Materialeigenschaften, ich vermute aber eher, es sind die Kosten und die ’schnelle Lösung‘, die zu zementhaltigen Materialien greifen lässt.
Ich habe immer mal wieder Häuser angeschaut, die mit zementhaltigen Materialien repariert wurden. Mein Haus war zwar in einem ziemlich schlechten Zustand, aber eben auch deshalb, weil hier noch niemand Hand angelegt hatte.
Meine Mission für die Casa lui Fred war deshalb von Anfang an klar: Ich möchte das Haus retten und seine ursprünglichen Regeln respektieren. Denn moderne, harte Materialien sind der stille Feind dieses alten Mauerwerks.
Das traditionelle „Weiche System“
Um zu verstehen, warum Zement hier nichts zu suchen hat, muss man die Materialien kennen, die das Haus über Generationen hinweg schützten:
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Der weiche Stein: Feldbrandziegel. Diese Ziegel wurden bei niedriger Temperatur gebrannt. Das macht sie zwar weniger stabil als moderne Klinker, verleiht ihnen aber eine hohe Porosität. Sie sind weich und flexibel – Eigenschaften, die für das gesamte System entscheidend sind.
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Die flexible Fuge: Lehm als Mörtel. Die Mauern sind mit Lehm gemauert. Lehm ist hygroskopisch – er kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Er federt leichte Setzungen des alten Hauses über Jahrzehnte ab.
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Der atmende Mantel: Kalkputz. Die Mauern sind mit Kalkputz verputzt. Kalk ist der perfekte Schutzschild: Er ist dampfdiffusionsoffen. Er schützt vor Regen, aber wenn Feuchtigkeit von innen oder unten aufsteigt, kann sie durch den Putz als Dampf entweichen (Hydroregulation).
II. Die Physikalische Inkompatibilität: Zement, der stille Zerstörer
Das Problem beginnt, wenn der harte, dichte Zement in dieses weiche System eindringt.
Zement ist nicht diffusionsoffen. Er wirkt wie eine Plastiktüte um die Wand:
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Der falsche Feuchtigkeitspfad: Feuchtigkeit, die naturgemäß im Mauerwerk aufsteigt (oder von innen kommt), trifft auf den dichten Zement. Sie kann nicht entweichen.
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Die Konzentration: Statt nach außen geleitet zu werden, staut sich die Feuchtigkeit in der nächstbesten weichen Stelle – der Lehmfuge und dem Feldbrandziegel direkt hinter dem Zement.
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Die Zerstörung: Bei Frost gefriert das Wasser in den Poren und sprengt das Material. Auch Salze kristallisieren und zermahlen die Bausubstanz von innen heraus. Die Mauer bröselt ab, bis nur noch der harte, aber nutzlose Zementputz übrig bleibt. Das ist der Moment, in dem die Mauern sprichwörtlich das Atmen verlernen.
III. Meine Mission: Die Strategie der Bewahrung
Die Entscheidung für die Sanierung der Casa lui Fred war daher eine Rückkehr zu den Bauprinzipien, die das Haus über 150 Jahre funktional gehalten haben.
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Ich setze konsequent auf Kalkputze. Der Putz muss immer weicher sein als der Stein darunter – eine Grundregel der Denkmalpflege.
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Ich stelle die natürliche Hydroregulation des Hauses wieder her, was für ein gesundes, atmendes Raumklima sorgt.
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Die Renovierung alter Bauernhäuser ist eine Kunst, die Respekt vor dem Material erfordert. Ich beweise, dass der beste Weg zur Erhaltung der Baukultur in Siebenbürgen nicht die moderne Technik, sondern die Weisheit der Altvorderen ist. Denkmalpflege beginnt bei der Materialwahl.
- Ersparnis durch moderne Materialien – ein Widerspruch?
Ich versuche, alte Materialien vor Ort zu kaufen, wo immer ich dran komme: Mauerziegel, Bruchsteine, alte Balken, Türen, Dachziegel (Biberschwänze) …
Aber gleichzeitig habe ich auch ein Zeitproblem und ein schmales Budget, um mein Projekt zu verwirklichen. Deshalb greife ich auch auf moderne Materialien zurück – bewusst und bedacht. Der Fokus liegt darauf, alles alte, was noch vorhanden ist, zu erhalten. Was nicht mehr vorhanden ist, ersetze ich mit modernen Materialien – ich denke, hätten die Altvorderen die Möglichkeit gehabt, wären sie ebenso vorgegangen.
Als Beispiel nenn ich mal die ehemalige Sommerküche. Eine der Außenmauern war gleichzeitig die Grundstücksmauer, an der das große Tor angeschlagen war. Die ist irgendwann zusammengebrochen, nachdem das Dach undicht war und der Regen über viele Jahre den Lehm aus den Fugen gewaschen hat.
Von den 4 Mauern steht nur noch eine. Das obere Drittel dieser Mauer ist auch schon sehr marode. Also werde ich den maroden Teil abtragen und die Mauer mit alten Materialien wieder herstellen. Die anderen 3 Mauern werde ich mit großformatigen Ziegel-Hohlblocksteinen aufbauen – inklusive frostsicherem Betonfundament darunter.
Für die drei Wände brauche ich genau so lange, wie für das obere Drittel der alten Mauer mit Normalformat-Ziegeln. Das Betonfundament sorgt dafür, dass das Hoftor mit seiner großen Windangriffsfläche auch in vielen Jahren noch stabil verankert ist.
Die drei Wände werden anschließend mit Kalkputz verputzt, so wie das früher auch war, man sieht den Unterschied der Materialien nicht mehr. Die alte Mauer lasse ich unverputzt.Mit meinem Kompromiss aus Originalität und Kostenoptimierung möchte ich ein Beispiel geben, wie man auch mit wenig Geld ein altes Gebäude und dessen Charakter erhalten kann, wenn man sich eine denkmalgerechte Sanierung nicht leisten kann. Vielleicht trägt das dazu bei, dass mehr dieser alten Häuser erhalten werden.
