Fundstücke aus dem Haus #002

Mit diesen Beiträgen möchte ich Fundstücke aus meinem Haus dokumentieren, als Erinnerung an die Menschen, die vorher dort gelebt haben und als kleiner Einblick, wie das Leben damals so war.


Ein Brief vom 10.02.1910

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Und hier der Versuch, das in eine heute lesbare Form zu übersetzen:

 

Blasendorf am 10/2/1910

Liebe Schwester und Schwager!
Euren Brief haben wir erhalten und es wundert mich auch nicht, wenn unser Misch nach so langjährigem Aufenthalte in der Fremde, dazu noch so lange in einer Stadt, ganz andere Gedanken hat als Ihr. Das Sprichwort sagt ja: ‚Ein anderes Städtchen ein anderes Mädchen‘. Aber wie ich schon sagte, er war zu lange in einer Stadt. Ihr glaubt in Groß-Schenk sind Mädchen genug, er kann sich wählen wie er sie haben will, aber in Hamburg sind da noch viel mehr, und wenn er in der ersten Zeit nicht gleich ernste Gedanken gehabt haben wird, aber man sieht sich – lernt sich kennen, liebt sich, muss sich trennen – aber wegen dieser Trennung ist Niemand hinter ihm gestanden.

Als wir im Sommer zu Hause waren, sage ich es wäre Zeit für unsren Misch zum nach Hause kommen aber eure Meinung nach hattet Ihr ja ganz recht, als Ihr sagtet wegen dem Platz, Haus, Hof u. Werkstatt müsstet ihr erst noch bauen, lässt man ihn noch einige Jahre dort, er hat es dort besser. Nur hätte man ihm den Vorschlag machen sollen, ganz Deutschland zu bereisen und sich umzusehen, aber das kostet, und gewöhnlich, was man auf einer Seite profitiert, geht auf der anderen drauf. Nun, lieber Schwager und Schwester, so sieht die Sache von der Großschenker Seite aus betrachtet, aber anders sieht es aus bei einer Stadt.
Bei einer Stadt heiratet man nicht so leicht auf der Freundschaft, wie es in Großschenk schon nicht anders möglich ist. Hier in unserer kleinen Stadt wo man alle Leute kennt, glaube ich, sind nur Sofie u. ich beide aus einem Nest.

Leset Ihr nicht wöchentlich in den landwirtschaftlichen Blättern, dass man nicht Inzucht betreiben soll, ich gib unserm Misch gar nicht unrecht, wenn er sich von dort eine Frau bringt, nur soll sie nicht große Ansprüche machen dann wird Gr. Schenk zurechtfinden sie sich auch nach so schnell geht das halt freilich nicht junge Leute arbeiten gewöhnlich in den ersten Jahren an der Profession in Groß Schenk und halten nur für Milch etwas Vieh, das vermehrt sich bald braucht mehr Futter und muss daher arbeiten.
So geht es bis man schließlich die Profession für der Sommer an den Nagel hängt u. Landmann ist ohne es zu wissen wie man eigentlich dazu kommt.
Ann, was die Sache anbelangt, wie Du schreibst, Ihr schämt euch nun unter die Leute zu gehen. Ihr sollt halt Niemanden etwas sagen und er soll auch so gescheit und erst nach 3-10 Monaten euch die großselterliche Freude mitteilen und ist ja weiter nichts dabei. Meiner Frau tut es leid das wir um eine Hochzeit in der Freundschaft zu kurz kommen. Wir wissen seine Adresse nicht, eine Karte ist uns zurückgekommen. Wir lassen ihn grüßen und er soll uns auch noch einmal schreiben.

Was macht der Vater noch?
Es grüßen Euch beide
Sofie u. Andreas